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Mozambique
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 14.09.2007 17:11    Titel: Antworten mit Zitat

Auf ungeheuer verschlungenen Wegen fahren wir vom Fischmarkt zum Kleidermarkt, um nach den Schuhen zu sehen. Das stellt sich als nicht so sehr einfach heraus. Jerry hat ungefähr Schuhgrösse 37. Fast die gesamte Auswahl in dieser Grösse sind in rosa Mädchendesign mit Plastikblümchen, Schleifchen und Ähnlichen Verzierungen. Jerry interessiert sich für ein paar Slipper in dunkelblau mit Aufschrift "Sport". Leider sind die nur ab Grösse 40 aufwärts verfügbar. Der Händler hält ihm pinkfarbene Flipflops mit Plastikröschen hin. Jerry rollt mit den Augen, wirft die auf die Theke und geht empört zum nächsten Stand.
Ich entdecke einen rosafarbenen Plastik-Handspiegel umringt von auflackierten Diamanten und einem goldenen Krönchen. Den kaufe ich für Papa Abdallahs Tochter, die zu der Mussiro-Aktion eine scharfkantige Spiegelscherbe mitgebracht hatte, in der Tina das Ergebnis ansehen konnte.

Zwei Stände weiter entdeckt Jerry die Schuhe seines Lebens. Sie dürften ungefähr vier Nummern zu gross sein und Jerry versichert, dass er nie daran dächte so wertvolle Schuhe je zu besitzen. Er wolle sie nur einmal in die Hand nehmen und ansehen. Jerry bewundert die Schuhe etwa so, wie ein zehnjähriger Junge hierzulande die Nase an der Scheibe eines Porsche plattdrückt. Sie sollen etwa 5 Euro kosten. Ich bin guter Laune und kaufe Jerry die Schuhe, und weil es mir ein Bedürfnis ist lege ich noch für zwei Euro ein Poloshirt drauf.

Jerry zieht stolz alles an und möchte mit den Sachen fotografiert werden. Dann bringt er sie zu seiner Mutter, die sie bis zum Schulbeginn für ihn verwahren wird. Jerry bemerkt, dass seine Hose schon recht verschlissen sei. Ich sage ihm, er müsse jemand anderen bitten, ihm bei dieser Aufgabe zu helfen. Weitere vier Kilometer später sind wir wieder bei dem vierhundert Meter entfernten Casa branca angekommen.
Das französische Ärztepaar ist Jerry am Abend des Tages begegnet. Jerry hat höflich gefragt, ob er einen Kugelschreiber bekommen kann. Vielleicht sollte er statt zur Schule zu gehen einen Handel mit Kulis, Turnschuhen und Heften eröffnen...


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 03:34, insgesamt 2-mal bearbeitet
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 14.09.2007 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Am Casa Branca wartet schon Genito. Er will uns weitere Sehenswürdigkeiten zeigen. Er hält es für empfehlenswert, das Auto zu nehmen, da lange Wege zwischen den einzelnen Stationen lägen. Kaum sitzt er auf dem Beifahrersitz sind Mikel und Mohammed Number One auch schon auf den Rücksitz zu Tina geklettert. Ohne Auto wird ab jetzt nichts mehr auf der Ilha gehen....

Zuerst besichtigen wir die Berufsschule mit ihren Werkzeugen und dem markanten Pausengong. Der Schuldirektor lässt sich zum Abschied vor
seiner Schule fotografieren. Hier wird die nächste Ladung Handies hingehen. Der Direktor möchte Elektronik-Mechaniker ausbilden, die die Handies auf Vordermann bringen. Die intakten Handies kann die Schule dann zum Verkauf anbieten und dafür Unterrichtsmaterialien kaufen.




Wir bestaunen Vasco Da Gama,


einige Gründerzeitlaternen im öffentlichen Raum,


den Werzeugladen


und das zunehmend verfallende Krankenhaus.


Ausserdem die Zentralmoschee,


das Museo Nautico


und den Hindutempel.


Zu guter Letzt stelle ich fest, dass die Rua do Solidaridade von den Einheimischen aus Solidarität mit den Gewinnern der Fussballweltmeisterschaft umbenannt wurde in Rua D'Italia.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 15:04, insgesamt 2-mal bearbeitet
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 14.09.2007 18:35    Titel: Antworten mit Zitat


Nachdem das Wetter immer regnerischer wird, beschliessen wir, am 20. Januar die Rückreise anzutreten. An unserem letzten Tag auf der Ilha nehmen wir uns kein grosses Programm vor. Wir lassen uns treiben, sehen ein paar Jungs beim Kalaha spiel zu,


kaufen für Tina eine Capulana, das traditionelle afrikanische One-Size-Fits-All-Necessarity-Bekleidungsstück. Es dient als Beinkleid, Schal, Stola, Babytragetuch, Polstertuch unter schweren Kopflasten und Vorhang oder Zudecke.


Wir kaufen ein paar Mädchen Cashewkerne ab,


sehen in ein paar Hinterhöfe,


und werden Zeugen einer Nachbarschaftsstreitigkeit.


Die Ilha ist, so wie das ganze Land, sehr jugendlich. Als Folge des Bürgerkrieges und von Aids gibt es nur wenige alte Menschen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mozambikaners liegt bei 42 Jahren.


Zum Abschluss war ich noch beim Feticeiro. Das ist natürlich sehr geheim. Ich kann nur berichten, dass man die Dienstleistungen der Voddokundigen stets erst bei Inkrafttreten bezahlt. Lediglich ein Beratungshonorar zur Auswahl der Wünsche wird vorab fällig. Ich kann jedem Afrikareisenden raten, wenigstens einmal die Dienste eines Zauberers in Anspruch zu nehmen.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 15:06, insgesamt 2-mal bearbeitet
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speedy
Urgestein


Anmeldedatum: 11.08.2005
Beiträge: 563

BeitragVerfasst am: 14.09.2007 19:07    Titel: Antworten mit Zitat

WOW Justus,
Respekt Dein Bericht ist der Hammer !!!!!!
_________________
Cu Speedy

Bei einem Flachdach ist meistens das Dach flach.
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tmacarthur
Urgestein


Anmeldedatum: 16.01.2007
Beiträge: 345

BeitragVerfasst am: 17.09.2007 11:49    Titel: Vielen Dank Antworten mit Zitat

Vielen Dank für den tollen Bericht und die Vermittlung von spannenden Eindrücken.

Gibt es eigentlich etwas wie wir (oder eigentlich ich) behilflich sein könnten?

Defekte Handies z.B. könnte ich leicht besorgen......

Oder sonst was?

Grüße vom Schotten
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kommmschmit
Badisches Urvieh


Anmeldedatum: 07.08.2005
Beiträge: 11084
Wohnort: Eberbach / Baden

BeitragVerfasst am: 17.09.2007 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

Na die sammelt der Justus immer noch, für die nächste Tour. Da dürfen auch ruhig funktionierende dabei sein. Yellow Wink
_________________
Ich ärgere mich nicht
und wenn ich verrecke vor Zorn (mein Lebensmotto)
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tmacarthur
Urgestein


Anmeldedatum: 16.01.2007
Beiträge: 345

BeitragVerfasst am: 18.09.2007 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

gibts denn sonst noch was zur Unterstützung zu tun?

Was haben eigentlich die Besuchebei den politischen Bewegungen gebracht?
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.2007 12:18    Titel: Antworten mit Zitat

tmacarthur hat Folgendes geschrieben:
gibts denn sonst noch was zur Unterstützung zu tun?

Danke für die Nachfrage. Im Moment sammle ich alte Handies für die Berufsschule auf der Ilha. Ab Jahreswechsel wird ein weiteres Projekt dazukommen, über das ich dann berichten werde.

tmacarthur hat Folgendes geschrieben:
Was haben eigentlich die Besuchebei den politischen Bewegungen gebracht?

Bitte habt dafür Verständnis, dass ich über diesen Aspekt nicht im Internet berichten möchte. Es ist wichtig für mich, auf allen beteiligten Seiten als neutral anerkannt zu sein.
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tmacarthur
Urgestein


Anmeldedatum: 16.01.2007
Beiträge: 345

BeitragVerfasst am: 18.09.2007 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

wo sollen denn die Handies hin? Ich könnte hier mal eine kleine Sammlung starten.


Grüße

Tom
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.2007 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zu mir Yellow Wink
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.2007 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

Wir sind gegen meine Gewohnheit früh aufgebrochen an diesem Morgen.
Erst noch Mal an der Bank vorbei, Bargeld holen. Bislang haben wir die Kosten aus meinem Vorrat an Baren US Dollars bestritten. Die gehen langsam zur Neige, bis auf einen eisernen Vorrat, den ich für Notfälle am Körper versteckt halte.


Wir wollen auf der Bank mit der Visa-Card von Tina Geld holen. Am Tag zuvor haben wir uns beim Schalterbeamten versichert, dass das möglich ist. Heute früh schickt er uns an den Geldautomaten damit. Mit der Visa Card bekommt man in Afrika bis zu 500 US Dollar am Tag, und soviel wollen wir auch. Der Automat genehmigt uns aber nur Einzelportionen von jeweils 100 Dollar. Man kann pro Tag drei Mal abheben. Für jede Abhebung wird die Karte mit 8 Dollar Gebühren belastet. Der Schalterbeamte bedauert, er habe nicht so viel Bargeld im Haus. Willkommen bei den Erzkapitalistischen Beutelschneidern.
Mit dreihundert Dollar verlassen wir die Ilha. Muss eben in Quelimane noch Mal Geld besorgt werden.



Wir haben ungefähr 700 km Weg vor uns, denn wir wollen Quelimane erreichen. Zwischen Nampula und Quelimane gibt es keine guten Strassen und keine angenehmen Unterkünfte. 700 km auf denen wir wegen des einsetzenden Regens nicht wissen, welche Strassenverhältnisse uns erwarten.

Wir haben etwa 180 km sehr gute Strasse bis Nampula, dann folgen ca. 100 km Schlagloch an Schlagloch bis zur Grenze des Bezirkes. Anschliessend folgen nochmal 180 km Behelfspiste neben der Baustelle bis Alto Moloque, dann 200 km Staub oder Schlamm bis Mocuba, 50 km Schlaglöcher und nochmal 90 km ordentliche Strasse bis Quelimane.
Die Pink markierte Strecke ist das Fragezeichen des Tages. Was kommt da auf uns zu?


In Nampula setzt der Regen ein.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 15:07, insgesamt 2-mal bearbeitet
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gödi
Frischling


Anmeldedatum: 18.04.2007
Beiträge: 45
Wohnort: 72108 Rottenburg

BeitragVerfasst am: 18.09.2007 20:58    Titel: echt interessant Antworten mit Zitat

Hallo Justus, toller Bericht über Eure Reise!! Falls du mal einen Übersetzer für Portugiesisch brauchst, sprich mich ruhig an!! Ich helfe dir natürlich gern!! Beste Grüsse Claus
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 18.09.2007 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt einen schön gemachten Werbefilm für Touristen auf der Ilha. Er zeigt nur die aufgeräumte und appetitliche Seite der Insel, bitte nicht drauf reinfallen, aber er ist wirklich schön anzusehen.
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 19.09.2007 15:18    Titel: Antworten mit Zitat


Die Schlaglöcher füllen sich mit Wasser und werden dadurch unsichtbar. Tanzende Menschen mit lachenden Gesichtern laufen auf der Fahrbahn. Überall Kinder, die in Pfützen spielen. Als habe die Regierung einen Feiertag befohlen. Sobald wir in den Regen kommen sind wir vonLebensfreude umringt. Das macht das Fahren zwar nicht einfacher, aber fröhlicher. Es ist ein Geschenk des Himmels, wenn es in diesem Jahr wieder regnet. Keine Selbstverständlichkeit und erst recht keine Last. Wenn man mal von Nebensächlichkeiten wie dem seifigen Asphalt absieht, selbst wenn die mich grade stark beschäftigen.
An der Grenze zum Bezirk Zambezia ist es wieder ein wenig trockener. Ich atme auf. Noch mehr Regen und Schlamm als auf der Hinfahrt kann ich nicht gebrauchen.


Die Freude währt nur etwa zehn Minuten, dann ziehen die ersten Wolken auf. Das geht rasend schnell. Die Fahrbahn wird zusehends schlammiger.



Wir passieren die ersten Schlammlöcher. Ich achte darauf, nach Möglichkeit nicht in die LKW Spur zu geraten. Zum Einen, weil unser Antichrist mit der geringen Bodenfreiheit einfach in der Mitte aufsetzen und alle vier Räder in die Luft stecken könnte, zum Zweiten, weil zumeist neben den LKW-Rinnen etwas mehr Grip vorhanden ist und zum Dritten, weil ich das Auto nicht vermeidbar beschädigen möchte.


Die Freude am Strassenrand bleibt ungebrochen. Winkende Kinder, lachende Mütter, aufgeregt hin und her flatternde Hühner. Selbst die Ziegen scheinen vergnügt zu sein.


Selbst in scheinbar ausweglosen Situationen denken die Menschen hier stets nach vorne. Ein überladener Bus bleibt stecken. Die Fahrgäste schimpfen nicht auf den Fahrer, sondern auf den Schlamm. Sie steigen aus und beginnen Zweige und Blätter unter die Räder zu füttern, den Bus mit blossen Händen freizugraben und gemeinsam anzuschieben. Keiner sorgt sich um einen Fleck auf dem Hemd oder Schmutz an den Händen. Es gilt einfach, den Bus aus diesem Loch zu schieben.


Ich verfluche mich innerlich: "Justus, Du bist ein verantwortungsloser Cretin. Ein Hornochse. Du hast Deine Schwester im Auto und die Frau, die Du liebst, setzt Dich hunderte von Meilen fernab jeder Zivilisation in ein absolut ungeeignetes Fahrzeug und spielst Abenteuerurlaub. Wenn Du hier steckenbleibst, dann kannst Du weder den Autovermieter rufen, noch den ADAC. Du bist auf Dich alleine gestellt. Warum bringst Du Vollkorken andere Menschen in Gefahr? Wenn Du hier von der Piste in den Graben rutscht, dann hast Du gute Aussichten auf eine langwierige Krankengeschichte. Der nächste Arzt dürfte mehrere hundert Kilometer entfernt sein...."


Als ich den ersten Allradwagen einer humanitären Organisation sehe, der in der LKW-Spur stecken geblieben ist, rutscht mir mein Herz ein wenig in die Hose. Ich bemühe mich, von meiner inneren Anspannung die beiden Fahrgäste nichts merken zu lassen. Fragt Tina, ob es mir gelungen ist, ich weiss es nicht.
Ich frage den Fahrer, ob ich ihm helfen kann, aber er winkt mit stoischer Gelassenheit ab und erklärt mir, es sei Hilfe unterwegs. Ich fahre rechts an dem Liegengebliebenen vorbei und vernehme zum wiederholten Male diese sägend-kratzenden Schleifgeräusche vom Fahrzeugboden, die meine Gedanken nicht weniger sorgenvoll werden lassen. Etwas weiter find ich ein etwa dreihundert Meter langes Schlammloch vor mir. Das geht nur mit Anlauf.
Ich blockiere die Automatik im ersten Gang, gebe Gas und erkenne im letzten Moment eine Pfütze. Das rechte Vorderrad sinkt ein. Der Truckway war mit Wasser vollgelaufen und ich habe ihn nicht gesehen. Der Motor dreht hoch, das rechte Rad dreht durch, es tut einen dumpfen Ruck von vorne gegen einen Widerstand. Ich reisse das Lenkrad nach links, sofort wieder nach rechts, das Auto bäumt sich förmlich vorne auf, es gibt ein schreckliches Mahlgeräusch vom Fahrzeugboden und ich finde uns mitten in dem Schlammloch wieder. Noch bewegt sich der Antichrist langsam nach vorne. Ich schlingere nach links und nach rechts und wieder zurück. Nur noch fünfzig Meter, noch dreissig, noch zehn, der Rand, durch....
Uff.
Tina hatte die Luft angehalten. Sie atmet wieder. Aber etwas von der frisch erworbenen Farbe im Gesicht hat sie verloren. Wir kommen jetzt wieder auf die halbfertige, geschotterte neue Strasse. Die Kühlwassertemperatur steigt. Ich halte an, da ich den Motor nicht beschädigen möchte und sehe nach. Der Keilriemen ist in Ordnung. Im Kühler und im Ausgleichsbehälter fehlt viel Wasser. Ich trinke eine Mineralwasserflasche leer und befülle sie mit Wasser aus eine Pfütze. Ich lasse den Motor laufen und fülle Wasser nach. Es gehen um die drei Liter rein. Was mir mehr Gedanken macht ist die Tatsache, dass auch fast ebensoviel wieder rauslaufen. Ich stelle den Motor wieder ab und untersuche die Schläuche auf Leckagen. Ich finde keine.
Ein Inder hält mit seinem Jeep an. Er möchte uns nicht abschleppen, da er fürchtet, ich könne ihm ohne Servobremse hinten draufrutschen. Er bietet sich aber an, meine Schwester nach Alto Moloque mitzunehmen. Das muss nach meinen Berechnungen ungefähr dreissig Kilometer voraus sein.
Hier, wo wir stehen haben wir noch nicht einmal Handy-Empfang. Selbst wenn ich Hilfe herbeitelefonieren könnte, ich wüsste nicht womit. Wir verabreden, dass Claudia (meine Schwester) in Alto Moloque eine Werkstatt ausfindig macht, die uns abschleppen kommt, oder andernfalls dort wenigstens mit dem Handy Hilfe herbeitelefonieren kann. Ist mir gerade egal, ob Europcar aus Beira jemanden schickt...
Währenddessen wollen wir versuchen, den Wagen mit etwas abgekühltem Motor und frischer Wasserbefüllung Richtung Alto Moloque weiter zu bewegen. Wir fahren etwa fünf Kilometer, dann ist der Motor wieder an der 100 Grad Grenze. Ich fülle gerade Wasser auf, da hält ein 40 Tonner Sattelschlepper. Der Fahrer und seine beiden Beifahrer fragen garnicht erst, ob ich Hilfe brauchen kann, das sehen sie schliesslich selbst. Zu dritt liegen die unter dem Antichrist und kratzen erst Mal den Schlamm aus allen Ritzen.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 15:12, insgesamt 3-mal bearbeitet
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riege
Heavy Duty


Anmeldedatum: 08.08.2005
Beiträge: 6264
Wohnort: Los Karawancos

BeitragVerfasst am: 19.09.2007 15:39    Titel: Antworten mit Zitat

:shock: bitte mehr! Du machst das richtig gut... 8)
_________________
...silver blaze...
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 19.09.2007 16:43    Titel: Antworten mit Zitat


Der Fahrer ist klar der Boss von den dreien. Er weist einen an, den Schlamm zu entfernen, einen zweiten, einen Ast von einem bestimmten Busch abzuschneiden. Ich gebe jedem eine Dose lauwarmes Tonic-Water. Er strahlt. Mich lässt er garnicht mehr an den Motor. Ich würde schmutzig werden sagt er.
Zunächst glaube ich, der abzuschneidende Ast sei für das "Afrikanische Warndreieck". Ein Fahrzeug mit Panne oder eine Unfallstelle wird in Afrika "gesichert", indem ein Zweig von irgendwas abgeschnitten und unmittelbar dahinter auf die Strasse gelegt wird. Da Pannen unter Umständen lange dauern können, mutet es absurd an, wenn Du an einen riesigen Truck heranfährst, unter dessen Auflieger ein oder zwei Menschen auf Schilfmatten dösen, hinter dem ein Zweig liegt und der offensichtlich schon eine Zeit lang so steht. Ein paar Stunden, einen Tag, drei Wochen, wer weiss das schon... Natürlich sieht man den Warnzweig Tag wie Nacht erst dann, wenn man den LKW auch sieht, deshalb schlafen die Bewacher auch stets hinter den Rädern der Zugmaschine und mittig. Vor den Aufliegerreifen liegt bei Sicherheitsfanatikern zusätzlich ein kopfgrosser Stein, damit ein aufprallender LKW den Auflieger nicht nach vorne schieben kann.
Als die Jungs den Schlamm überall rausgekratzt haben sehe ich die Ursache des Dilemmas.

Die untere Wanne des Kühlers ist aus Kunststoff. Die beiden Zapfen nach senkrecht unten sitzen in Gummi gelagert in einem vorderen Querträger. Beim Eintauchen in die LKW-Spur hat es diesen Ruck gegeben. Das war wohl der Querträger, den es nach hinten verschoben hat. Dabei sind die beiden Zapfen unten herausgebrochen und dadurch hat der Kühler in der Wanne unten zwei fingerdicke Löcher.
Mist.
Der eine Adlatus des big Boss ist schon dabei, aus dem Ast einen entsprechenden Stopfen zu schnitzen, den man vor Ort von unten mit einem faustgrossen Stein vom Fahrbahnrand in den Kühler hineinschlagen kann.

Ich überlege fieberhaft, was noch helfen könnte. Gestern Nacht haben wir den Geburtstag meiner Schwester gefeiert. Infolgedessen sind alle Rotweinreserven geleert. Ergo gibt es nicht den allerkleinsten Korken mehr an Bord. Ausgerechnet jetzt! Ich sage das Tina. Tina assoziiert und grinst plötzlich über das ganze Gesicht.
"Ich hab da was" sagt die beste Freundin von allen. Sie kramt in ihrem Koffer und holt einen Tampon raus. "Dichtet grosse Mengen Flüssigkeit zuverlässig in nicht geometrisch geformten Öffnungen" sagt sie triumphierend.
Ein Versuch ist das allemal Wert.
"He Meista ich habben Lösunk,"sage ich zu dem Kapitän der Buschpiste. Der spricht nicht viel besser portugiesisch als ich. Nur etwa die Hälfte der Mozambikaner sind ihrer Regierungssprache überhaupt mächtig. Ich zeige ihm den Tampon und bedenke dabei nicht, dass er so etwas noch nie im Leben gesehen hat. Also erkläre ich ihm den Zweck:
"Das ist für Frau wenn blutet unten. Macht Loch zu damit nix mehr Blut kommt."
Er nickt mit dem Kopf, grinst breit und sagt irgendwas auf Makonde zu seinen beiden Kollegen. Die sehen sich das Ding an und da ist wieder der Lieblingslaut, diesmal dreistimmig:
"Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeehhhh...."
Ich zeige den Jungs, wie man die Zellophanhülle entfernt und der Tampon sitzt auf anhieb in dem zweiten Loch des Kühlers. Wir füllen Wasser auf, der Kühler ist dicht.
Ich starte den Motor, der Kühler ist immer noch dicht. Ich entlohne meine drei Retter mit einem Wochenlohn als Trinkgeld, gebe jedem noch eine Dose Tonic-Water und fahre mit Tina weiter richtung Alto Moloque. Nach etwa zwanzig Kilometern steigt die Wassertemperatur wieder langsam an. Ich halte und fülle etwa zwei Liter Wasser nach. Beim Ast läuft etwas davon, der Tampon ist dicht. Ich klopfe den Ast ein wenig tiefer mit meinem Leatherman und beschliesse, dass ich so auf jeden Fall die letzten zehn oder fünfzehn Kilometer bis Alto Moloque fahren kann.
Kurz vor Alto Moloque kommt mir ein Land Cruizer mit meiner Schwester als Passagier entgegen. Der Schwager der Werkstatt in Alto Moloque ist unterwegs, uns abzuschleppen.
Sie drehen und geleiten uns zu der Werkstatt. Wir werden eine Lösung finden.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 03:54, insgesamt 2-mal bearbeitet
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 19.09.2007 17:15    Titel: Antworten mit Zitat


Toyota Niederlassung Alto Moloque oder so ähnlich. Der Shopbetreiber fängt fleissig an, drauflos zu schrauben. Klar ist, der Kühler muss erstmal raus. Das ist bei der verbauten Dose nicht einfach. Da bereits zehn Hände und alles verfügbare Werkzeug im Einsatz sind, beschliesse ich, zunächst mal alle mit gekühlter (!) Cola aus dem benachbarten "Restaurant" zu versorgen. Die beiden zuschauenden Jungs, von denen einem infolge eines Schlangenbisses ein Bein fehlt bekommen auch eine. Ein Festtag heute.

Dann gehe ich, da es jetzt erstmal mindestens eine Stunde dauern wird, bis der Kühler ausgebaut ist mit Claudia und Tina etwas essen. Das Restaurant stellt Sandwiches in Aussicht. Das kann eine gute Nachricht sein, muss aber nicht.
"Was fürr Sandwich haschde Du?"
"Sandes de Porcu (Sandwich mit Grillspiess von Schwein)."
"Ischde Haussschwein, oder ischde Stachelschwein, oder ischde Wildschwein?"
"Porcu da Galinha (Hühnerschwein)."
Aha.
Wir bestellen drei mal Hühnerschweinsandwich. Die Mozambikaner backen ein hervorragendes portugiesisches Weissbrot. Eine Art Baguette, nur teigiger und fester. Uns zu ehren wird ungetoastetes Toastbrot von irgendwo besorgt. Wie ich doch die Zivilisation zuweilen hasse!
Als wir aufgegessen haben ist der Kühler ausbebaut.

Das Stöckchen ist mit wenigen Handgriffen entfernt, beim Tampon dauert es eine halbe Stunde oder länger, bis es Faser für Faser herausgefieselt ist.

Ich setze mich zu dem Schwager des Werkstattchefs in den Wagen und wir fahren zu einem Markt. Dort kaufen wir zwei Packungen Zweikompomponentendichtmasse mit der Kunststoff-Abwasserrohre geflickt werden können. Das ist das einzig Verfügbare. Löten kann man ja den doofen Kunststoffeimer nicht.
Claudia hat zwischenzeitlich Europcar in Maputo erreicht und die Panne gemeldet und geschildert. Die Europcar-Trulla sagt nur lakonisch, dass sie uns da auch nicht helfen kann.
Wir kehren zur Werkstatt zurück. Dort ist der Kühler jetzt gereinigt und die letzten Tamponreste werden entfernt. Die Dichtmasse wird geknetet, die Umgebung der Löcher wird mit der Feile vom Leatherman aufgerauht. Dann kommt die Dichtmasse drüber und wir müssen 90 Minuten Abbindezeit abwarten.
Der Werkstattchef sieht meine Stiefel an. Das wären sehr schöne Schuhe sagt er, woher ich die hätte. Ich sage ihm, dass das Armeestiefel wären, die eigentlich für den Wüsteneinsatz konzipiert wären. Ich hätte sie in Afrika gerne an, da sie geschlossenes festes Schuhwerk, aber dennoch leicht seien und man darin nicht sehr schwitzt. Er fragt, von welcher Armee.
"Von Amerikanern."
"Bis gerade eben habe ich Dich gemocht."
"Ich sonst nix vill mit Amis am Hut, aber gut Schuh machen Amis."
Red was Du willst Justus, ist Einerlei. Der Reparaturpreis ist eben gestiegen. Basta


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 03:56, insgesamt einmal bearbeitet
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forentroll
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Beiträge: 201

BeitragVerfasst am: 19.09.2007 17:49    Titel: Antworten mit Zitat

.

Zuletzt bearbeitet von forentroll am 10.04.2008 10:09, insgesamt einmal bearbeitet
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juwi
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Beiträge: 985
Wohnort: Düsseldorf

BeitragVerfasst am: 19.09.2007 18:42    Titel: Achtung Ironie Antworten mit Zitat

Justus Justus, du hast also völlig unbekümmert das letzte afrikanische
Hühnerschwein verzehrt. Diese überaus seltene Rasse der gefiederten
4-Beiner ist so selten das die selbst in Darwins Tierleben nicht gelistet
werden. Naja, Hauptsache du kannst völlig unbekümmert mit deinen Ami-
Latschen auf dem afrikanischen Kontinent rumtrampeln und mit deinem
Kühlwasser den Boden verpesten, unglaublich sowas.... Yellow Laugh
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fleisspelz
Gast





BeitragVerfasst am: 19.09.2007 21:02    Titel: Antworten mit Zitat


So um ca. halb fünf am Nachmittag mache ich die ersten Probefahrten in Alto Moloque. Auf der linken Seite leckt es noch ein kleines bisschen. Der Mechanix drückt von aussen noch ein wenig von der Zweikomponenten-Dichtpampe auf die Leckstelle und wir warten nochmal eine halbe Stunde zu. Ich habe einen Jungen losgeschickt, er möge mir auf dem Markt ein Ei kaufen. Das Geld reicht für hundert Eier, aber ich hatte es nicht kleiner. Ich werde den Bengel wahrscheinlich nie wieder sehen.
Wir testen kurz nach fünf nochmal. Jetzt schwitzt es nur noch ein ganz klein wenig. Ich möchte aber sicher gehen. Wir haben immerhin noch mehr als 2000 Kilometer bis Maputo vor uns. Ich fahre mit dem Schwager des Mechanix zu dem nach Hause und kaufe ihm ein Ei ab. Dann bezahle ich den Mechaniker. Er verlangt knapp 30 Euro, also einen Mechanikerwochenlohn. Bei den Preisen kann ich es mir gerade noch leisten, amerikanische Stiefel zu tragen. Ich fahre mit dem Antichrist zur Tankstelle. Dort öffne ich den Kühler und schlage das Rohe Ei hinein. Die letzte Leckstelle hört nach wenigen Minuten auf, zu schwitzen.
Ich beratschlage mich mit Tina und Claudia, wie wir weiter vorgehen wollen. Wir haben jetzt die Auswahl zwischen Teufel und Beelzebub. Vor uns liegen etwa 340 km Piste. Davon sind 50 km ordentliche Strasse, 90 km Schlagloch an Schlagloch und 200 km Staubstrasse. Im Moment regnet es nicht. Wenn aber nachts Regen einsetzt, so wie in den vergangenen Nächten, dann wird die Piste mit jedem Tropfen schlimmer. Andererseits ist Afrika des Nachts tatsächlich der schwarze Kontinent. Tiefes dunkles schwarz. Keine Verkehrsschilder, keine Leitpfosten, keine Laternen, keine Strassenmarkierungen. Aber jede Menge nachtaktives Getier und reichlich Menschen, die die ganze Nacht hindurch auf der Piste irgendwohin laufen oder auf unbeleuchteten fahrrädern plötzlich aus dem Nichts auftauchen. Wenn wir schnell sind und keine Pausen machen, dann können wir günstigstenfalls einen Schnitt von 50 km/h schaffen. Jetzt ist es halb sechs. Das bedeutet, wir können um halb eins oder eins in Quelimane sein. Zur Not gibt es in Mocuba ein miserables und überteuertes dreckiges Hotel. Bis Mocuba sind es 200 km. Aber in Mocuba haben wir auch den allerschlimmsten Teil hinter uns. Die alternative dazu ist, bei einem hier in Alto moloque ansässigen Schullehrer in dessen überfüllter und enger Hütte bis morgen früh kein Auge zuzutun und dann die Piste womöglich noch aufgeweichter vorzufinden als jetzt. In Mozambique dürfen Busse nur bei Tageslicht verkehren. Busse bleiben gerne im Schlamm stecken und blockieren alles, was danach kommt.
Wir entscheiden uns, zu fahren.


Zuletzt bearbeitet von fleisspelz am 22.09.2007 03:57, insgesamt einmal bearbeitet
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